Meine Woche im Lycée Maurice Genevoix in Decize über das Programm von Erasmus+

Anders als geplant startete am Montag mein Jobshadowing im Rahmen von Erasmus +  im Gymnasium Maurice Genevoix in Decize, einer Kleinstadt mit gut 5000 Einwohnern im Département „Nièvre“. Durch einen islamistischen Anschlag auf einen Lehrer in Arras in der Vorwoche wurde in den ersten beiden Stunden eine Lehrerversammlung einberufen. Dort diskutierte man die Gestaltung des Unterrichtstages und die Durchführung der Schweigeminute um 14.00 Uhr. Die Anweisung zur Durchführung wurde erst einen Tag vorher durch den französischen Bildungsminister erlassen. Neben einer großen Betroffenheit, aber auch viel Ratlosigkeit im Umgang mit einer solchen Situation erfuhr ich erstmals über die 15 Regeln des Laizismus in Frankreich. Hierbei handelt es sich um die gesetzlich festgeschriebene Trennung von Kirche und Staat. Religions- oder entsprechenden Ethik-Unterricht gibt es daher in französischen Schulen nicht.

Ab 10.00 Uhr begann schließlich der Unterricht. So nebenbei, die Schulstunden dauern hier 55 Minuten und bei einer Doppelstunde  gibt es keine kleine Pause! Überraschend waren die sehr großen Klassen.  Meist um die 30 Personen und  mit maximal 36 Schülerinnen und Schülern einer „Classe Términale“ eine ungewöhnlich große Veranstaltung. Trotzdem  herrschte im Klassenraum eine beachtliche Ruhe und große Freundlichkeit. Mit einem freundlichen „Bonjour Monsieur“ wurde auch ich begrüßt und nahm in der letzten Reihe Platz.

Gearbeitet wurde seitens der Lehrerschaft mit einem Laptop, auf dem die kompletten Unterrichtsmaterialien nebst Lösungen gespeichert waren und einer normalen Tafel. Zusätzlich teilte man den Schülerinnen und Schülern die Arbeitsblätter noch in Papierform aus. Ipads und ähnliche Geräte waren nicht zu finden. Stattdessen sah man im gesamten Schulgebäude die Schülerschaft an ihren Mobiltelefonen. Stundenpläne wurden hier aber im Gegensatz zu Spielen und privaten Nachrichten nicht abgerufen. Vor dem Unterricht herrschte im Lehrerzimmer ein reges Treiben. Viele Lehrerinnen und Lehrer waren damit beschäftigt, ihre Arbeitsblätter und Klausuren mittels mitgebrachter Stick auf bereitstehenden Rechnern und Druckern zu vervielfältigen. Besonders freundlich war vom ersten Tag an die Aufnahme unter den Kolleginnen und Kollegen. Man ging direkt zu einem „Du“ über und so wurde bei der einen oder anderen Tasse Kaffee über die Unterschiede der beiden Schulsysteme gefachsimpelt.  Mit einigen Kolleginnen und Kollegen möchte ich daher auch weiterhin im Austausch bleiben.

Ein langes und sehr informatives Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter zeigte, dass beide Schulsysteme sehr unterschiedlich aufgebaut sind. Zu Beginn der Seconde kommen die Schülerinnen und Schüler vom benachbarten Collège und müssen sich erst an die neuen Methoden sowie  Lehrerinnen und Lehrer gewöhnen. In der  Classse Seconde umfasst der Stundeplan minimal 26 Stunden. Zusätzlich können Optionen (u.a. im Sport) gewählt werden. Später erfolgt dann die Vertiefung in drei Fachbereichen. Neu war hierbei für mich, dass Physik und Chemie sowie Biologie und Geographie zusammen von einer Lehrkraft unterrichtet wird. Das für ganz Frankreich zentrale Abitur wird dann im Juni geschrieben (ein Versuch, die Arbeiten auf den März vorzuziehen, hatte den Erfolg, dass viele Schülerinnen und Schüler mit bereits bestandenem Abitur im Rest des Schuljahres vor den mündlichen Prüfungen ihre Arbeit eingestellt hatten). Auch die Notengebung ist anders. Epochalnoten werden so gut wie keine vergeben. Ein Nachteil für sprachlich gute Schülerinnen und Schüler. Auch das Einüben von Referaten kommt aufgrund der großen Klassen nur selten vor. Ein Nachteil für das mündliche Abitur, wie einige Kolleginnen und Kollegen mir bestätigten.

Anstrengend war auch für mich auch als Zuschauer der lange Schultag. So begann der Unterricht für mich an mehreren Tagen bereits um 8.00 Uhr und endete in einem Fall erst um 18.00 Uhr. Glücklicherweise gab es eine Stunde Mittagspause und man konnte in der Kantine eine warme Mahlzeit einnehmen.  So kam ich in den Genuss in einer Schlange mit vielen hungrigen Kindern und Jugendlichen anzustehen.

Trotzdem habe ich diese Woche sehr genossen und eine Menge über das französische Schulsystem gelernt. So nebenbei konnte ich auch viele Fachbegriffe und die ein oder andere Anregung (Material für Klausuren J) für meinen Unterricht mitnehmen.

Eine Erfahrung, die ich jederzeit wieder machen würde.

Cordialement

Dr. C.  Hitzel